SF vs. Fantasy: Vampir-Edition

Ich habe ja hier schon einmal am Beispiel von A Song of Ice and Fire diskutiert, wie derselbe Sachverhalt „auf SF-Art“ bzw. „auf Fantasy-Art“ in einer Geschichte behandelt werden kann.

Dazu ist mir noch ein schönes Beispiel an eher unerwarterter Stelle untergekommen: Die Behandlung von Vampirismus in den Sookie Stackhouse-Büchern*. Dort wird zunächst eine Erklärung für das Phänomen vorgestellt, die aus der Science Fiction stammen kann: Vampir wird man durch die Übertragung eines Virus‘, durch den man für einige Tage in einen todesähnlichen Zustand verfällt und der dann zu körperlichen Veränderungen und „Allergien“, z.B. gegen Sonnenlicht, führt. Das klingt nicht nur grundsätzlich plausibel (selbst die Ernährung durch Blut macht aus Sicht des Virus Sinn – so wird er schließlich weiterverbreitet. Die Fangzähne braucht man dann halt zum Beißen…), sondern auch nach etwas, das wissenschaftlich untersucht und verstanden werden kann: Hat man Vampirblut, kann man den Virus isolieren, aus alten Proben lässt sich vielleicht etwas über seine Evolution lernen… Würde Vampirismus weiter so behandelt, würde man vielleicht sogar etwas über Evolution und Infektionswege lernen, wäre die Stackhouse-Reihe ganz klar SF.

Allerdings wird die „wissenschaftliche“ Erklärung von Anfang an nicht komplett ernst genommen, sondern als etwas vorgestellt, das die Vampire gezielt verbreiten, um leichter akzeptiert zu werden (dahin steckt die interessante Annahme, das in unserer Gesellschaft wissenschaftliche Erklärungen besser akzeptiert werden als „übernatürlich“ – keine Ahnung, ob das stimmt, wäre allerdings toll wenn…). Sehr bald, nach dem Auftauchen anderer „übernatürlicher“ Wesen (Wertiere, Mänaden,…), wird sie beiseite geschoben. Wertiere kann keiner sofort wissenschaftlich erklären, und damit ist auch bei Vampiren alles offen: Sie werden jetzt als Teil einer magischen, übernatürlichen Welt verstanden, die nicht wissenschaftlich erklärt wird und bei der auch offenbar zumindest die Hauptfiguren kein Interesse an solchen Erklärungen haben. Damit verlassen wir dann die Science Fiction und landen in der Fantasy – obwohl auch hier natürlich eine SF-Behandlung z.B. der Wertiere denkbar wäre: Die Tymbrimi in David Brins Uplift-Zyklus sind ja z.B. auch in der Lage, bewusst körperliche Veränderungen zu veranlassen, ohne wie Star Treks Gestaltwandler eine völlig andere Physiologie zu besitzen.

_________________________________
*Lohnen sich nicht wirklich – ich schaue gelegentlich True Blood und finde die Grundidee sehr interessant, aber das Worldbuilding/Schnulze-Verhältnis der Serie passt mir nicht. Daher war ich neugierig, ob das in den Büchern anders ist. Fazit: Nein, auch wenn sowohl Worldbuilding als auch Schnulze anders sind als in der TV-Serie.



Hinterlasse einen Kommentar